"Ich hab schon mal einen Anti-Lebenslauf gemacht, wo ich meine Absagen dokumentiere. (...) Ich sehe gerade diese Absagen nämlich auch als strukturelle Schwäche an." (peripherie.space/interviewbeatrice)
Die Künstlerin Branka Čolić veröffentlichte vom 27. März bis zum 26. April 2021 täglich ein Video auf ihrem YouTube-Kanal brankart zu Fragen nach dem Selbstverständnis und zur Selbstoptimierung als Künstler*in. Die Arbeit "Gib dem Affen Zucker" wurde im Rahmen des 26. Videokunst Förderpreis Bremen im gak Bremen gezeigt. Čolić präsentiert neben dem Videoblog eine Arbeit im Innen- und Außenraum.
"Ausgehend von den täglich zur Selbstliebe und Achtsamkeit mahnenden Teebeutel-Weisheiten, wie sie etwa die Marke Yogi-Tee anbietet, präsentiert Čolić Sinnsprüche der etwas anderen Art – im Spannungsverhältnis zwischen Notwendigkeit und Kommerzialisierung von Self-Care und Arbeitsmoral." (gak Bremen)
Was passiert, wenn Rahmenbedingungen öffentlich werden? Wie können Vermittlungswege zwischen der realen Praxis und strukturellen Settings aussehen?
Da Absagen ein notwendiger Teil von Bewerbungsprozessen sind, wäre zu fragen, wie ein produktiver Umgang mit diesen Mitteilungen aussehen kann. Die meisten Förderprogramme sind darauf ausgelegt, die Prozesse allein mit den "Ausgewählten" weiterzugehen und die "Abgelehnten" nicht weiter mit einzubeziehen. Ein verantwortlicher Umgang jedoch mit Einreichungen müsste den Zeitumfang für diesen Prozess so kalkulieren, dass nicht nur eine Jurybegründung für die Zusagen formuliert werden, sondern ebenso für die Absagen. Denn solange nur positive beschiedene Einreichungen begründet werden, können diejenigen Personen, die für diese Ausschreibung abgelehnt werden, keine Orientierung erhalten wie sie in Zukunft zu einer Zusage gelangen können.
Wir fordern konstruktive Absagen und einen wertschätzenden Umgang mit eingereichten Bewerbungen. So viel Zeit muss sein.
Im Rahmen der ersten peripherie publikation extremely dissatisfying interviewt Jasmin Meinold die Künstlerin Beatrice Moumdjian zu ihren Erfahrungen und Umgangswegen mit Absagen. Als "nie endende Bewerbungsphase" stellt sich dabei die Frage, inwieweit sich die Tätigkeit von Künstler*innen von einem Normalarbeitsverhältnis unterscheidet. Dies mache deutlich, "wie sehr die eigene Arbeit abhängig ist von der ständigen Bewertung anderer, z.T. noch bevor sie überhaupt entstanden ist", so Jasmin Meinold. Wie kann eine Künstler*in damit umgehen, wenn ein Projektvorschlag, eine Arbeit, abgelehnt wird? Oder vielmehr: wie kann eine strukturelle Grundlage geschaffen werden, damit diese Entscheidung nicht mehr bei den Künstler*innen allein liegt, sondern institutionell in Ausschreibungsprozessen mitgedacht wird?