Hallo XXXXXX, was sind deine Erfahrungen mit Arbeitsbedingungen im Kulturbetrieb?

Meine Erfahrungen mit Arbeitsbedingungen im Kulturbetrieb sind sehr gemischte. Aber wenn ich ehrlich bin, überwiegend negative. Wobei ich auch nochmal betonen muss, dass ich in einem Kulturbetrieb war, der eher in einer besonderen Position ist, da er finanziell sehr gut aufgestellt ist. Und bei den meisten Kulturbetrieben ja eher das Gegenteil der Fall ist und diese abhängig von Förderungen usw. sind. Dieser Unterschied hat die Situation dort aber eigentlich noch schlimmer gemacht, weil eben dieser finanzielle Background da ist, aber die Arbeitsbedingungen der Mitarbeitenden in diesem Kulturbetrieb vergleichbar sind mit denen in anderen Kulturbetrieben, denen dieser finanzielle Background fehlt.
Und so sind dort die Themen Selbstausbeutung, geringe oder keine Wertschätzung der Arbeit und Leistung der einzelnen Mitarbeitenden sehr stark vertreten und auch ein starker Leistungsanspruch sowie die Erwartung von unendlicher Flexibilität und ständiger Verfügbarkeit. Die Bezahlung ist auch eher mittelmäßig und in Anbetracht dessen, was man leisten musste auch eher schlecht.
Die Kluft zwischen dem, was für die Außenwirkung dieser Institution ausgegeben wird und für z.B. rein für das Mobiliar zu dem, was die Leute verdienen und leisten, ist extrem. Und in Hinblick auf die Bezahlung von externen Künstler:innen und Referent:innen ging es eher in Richtung Ausbeutung – also nicht gut bezahlt und mit hohem Anspruch. Man hat es halt immer so verkauft – „alleine dass ihr hier sein könnt bei uns, das ist schon viel wert, da könnt ihr froh darüber sein” – also, ihr könnt von uns, durch unseren Namen profitieren.

Was sind deine Erfahrungen im Umgang mit Künstler:innen?

Man muss dabei unterscheiden – die Mitarbeitenden, die diese Künstler:innen eingeladen haben, haben meist natürlich wertschätzend mit diesen kommuniziert und sind größtenteils wertschätzend mit diesen umgegangen. Sie waren nur eingeschränkt bzgl. der Honorare, bzw. gab es da auch Unterschiede. Man hat einfach gemerkt, dass einigen die Wertschätzung für die künstlerische Arbeit fehlt und so auch die harte Arbeit und sie den Aufwand, der darin steckt, nicht sehen. Und dann gab es andere, die dafür vollste Wertschätzung und Achtung hatten, denen durch die stark hierarchische Struktur die Hände gebunden waren. Das fand ich sehr tragisch. Da, wenn man weiß, wieviel Geld da ist und ansonsten für Veranstaltungen unglaublich viel Geld ausgegeben wird … So ist es noch weniger zu rechtfertigen, dass aber die Künstler:innen oder auch die Mitarbeitenden schlecht bezahlt werden. Und man bekommt immer die Standartfloskel zu hören bekommt, wenn man diesen Missstand anspricht – „ …, weil es halt im Kulturbereich so üblich ist” – ohne den Anspruch etwas besser zu machen, weil man die Möglichkeit im Vergleich zu anderen Kultureinrichtungen hat.
Des weiteren wurde man, wenn man sich für die eigenen Arbeitsbedingungen einsetzen wollte, mit der Antwort – „… ist halt kein „Nine-to-Five-Job”, ist halt ein Kulturbetrieb und die Mitarbeitenden stehen dort eben, was die Investitionen anbelangt, an letzter Stelle.” – von der Personalbteilung abgespeist. Viele haben es dann einfach gemacht und es so hingenommen, da sie sich von dieser Institution eine gute Außenwirkung erhofft haben, was sie dann auch teilweise bekamen und manchmal auch nicht …

Wo siehst du den Grund für die Problematiken in Kulturbetrieben?

Ich kann eben nur aus meiner Erfahrung sprechen. Was ich sehe, oder was dort der Fall war/ist – ich kann mir vorstellen, dass das auch in anderen Kulturbetrieben der Fall ist – dass es dort z.B. sehr hierarchisch strukturiert ist und die Geschäftsführer dort fernab von einem „normalen” Leben und fernab von der Lebensrealität von „normalen” Menschen und erst recht von der von Künstler:innen oder Kulturschaffenden sind. D.h. es beginnt mit der fehlenden Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeitenden mit verschiedensten Expertisen und in den unterschiedlichen Aufgabenbereichen und noch mehr fehlt eben, wie bereits erwähnt, die Wertschätzung der künstlerischen Arbeit.
Es wird dann aber auch ein Unterschied gemacht – wenn es um einen renommierten Künstler geht, dessen Bilder zig-tausend Euro kosten, wenn dieser einen Namen hat, mit dem man sich schmücken kann, ist Geld praktisch egal.
Was ich damit sagen möchte, ist, dass ich sehe, dass oft Leute an der Spitze sitzen, die nur in sehr elitären Kreisen unterwegs sind und keinen Bezug zu Arbeits- und Lebensrealität von Menschen außerhalb dieser Kreise haben. Und daher durch den fehlenden Einblick und Verständnis, den Wert nicht sehen und aus einer Position sprechen, als wüssten sie über alles genauestens Bescheid und sich dann auch nicht belehren lassen und grundsätzlich uninteressiert sind. Dabei geht es wieder nur um die Außendarstellung ihrer selbst und nicht um irgendwelche Werte. Das habe ich dort zumindest erlebt. Wie könnte man die Situation verbessern? Die Sache, die ich denke, noch hinzu kommt, ist, dass im Kulturbereich ein bestimmtes Mindset vorherrscht. Wenn man in diesen Bereich einsteigt, bekommt man schnell das Gefühl vermittelt, dass man dieses übernehmen muss. Dieses – ich muss mich selber ausbeuten, es gehört dazu, dass es eine harte Arbeit ist, da es ja auch eine Arbeit ist, die mir Freude macht und eigentlich ja im Grunde keine „richtige” Arbeit ist. Künstlerische Arbeit wird ja auch oft wie ein Hobby dargestellt, da es ja „nur” aus reinem Vergnügen macht. Sodass man oft das Gefühl hat, man darf dafür nichts verlangen und muss mehr reinstecken, da es mit viel Herzblut verbunden ist. Gefühlt herrscht fast eine Art Wettkampf vor, wer am fertigsten ist, ist praktisch der „Coolste”, das gefühlt fast schon damit angegeben wird, wer sich wieder die Nächte um die Ohren geschlagen hat. Und das fängt aus meiner eigenen Zeit an einer Kunstakademie bereits im Studium an. Also dieses Mindset ist zum einen eine wichtige Sache. Künstler:innen und Kulturschaffende sollten beginnen, ein anderes Mindset zu entwickeln, sich selbst und ihre Arbeit mehr wertzuzschätzen, sich nicht unter Preis verkaufen – mit dem Bewusstsein, dass sie dadurch auch für andere in ihrer Branche einsetzen oder im umgekehrten Fall, damit schaden. Und zweitens, wenn es wie in dem Kulturbetrieb der Fall ist, in dem ich gearbeitet habe, dass sehr hierarchische Strukturen vorherrschen, wäre es wichtig, dass die Führungspersonen, diese Einblicke gewinnen oder im besten Falle Menschen an diese Positionen setzt, die eine große Wertschätzung mitbringen und denen es nicht nur um ihr eigenes Ego geht.

Was sind oder waren deine Konsequenzen?

Ich habe immer stärker gemerkt, dass ich die Arbeit dort null mit meinen persönlichen Werten und auch nicht mit meinem Gewissen vereinbaren kann – immer die Künstler:innen so hinzuhalten und mit meinem Namen für diese Institution stehen zu müssen und ich ihre fehlende Wertschätzung für Kulturschaffende an die Künstler:innen praktisch weiterreichen musste. Und so war die Konsequenz dort nach vier Jahren zu kündigen.

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