An Deutschen Theatern gilt der Normalvertrag Bühne (NV-Bühne), der auf die meisten Beschäftigten angewandt wird. Bereits die Namensgebung wirkt interessant, da sie zu suggerieren scheint, dass es hier mit rechten Dingen zugehen möge. "Normal" ist allerdings nicht, dass in diesem Tarifvertrag grundlegende Arbeitsgesetze unterwandert werden und dass der Arbeitsalltag der Beschäftigten, die die ungeschriebenen und geschriebenen Gesetzen dieses Ortes praktizieren, die Grenzen dieser Arbeitnehmer*innenrechte stets weiter ausdehnt und verfestigt. Ein Quiz auf der Seite www.nvbuehne.de, die Sebastian Zarzutzki erstellt hat, um auf die prekären Umstände an Deutschen Theatern hinzuweisen, lässt aufmerken.

Das Ensemblenetzwerk hat eine "Fairness-Charta" zum NV-Bühne herausgegeben, um den "fairen Umgang der Theaterleitung mit den künstlerischen Beschäftigten" zu unterstützen.
In den einleitenden Worten heißt es: "Vorgeschlagen werden Regelungen, die den Tarifvertrag NV-Bühne ergänzen bzw. zugunsten der künstlerischen Mitarbeiter erweitern. Sie sollen im Dialog mit den Betroffenen nach und nach ergänzt werden. Es ist absehbar, dass es für die verschiedenen Berufsgruppen und Gewerke Sonderregelungen geben wird. Gespräche mit den jeweiligen Netzwerken einerseits, mit Leitung & Ensemblevertretern interessierter Theater werden geführt."


2021: Maßnahmenkatalog aus dem Modellprojekt FAIRSTAGE an Berliner Theatern

"Aktuelle Vorwürfe über Machtmissbrauch und rassistische Vorfälle, aber auch die Debatten um Ausfallhonorare oder Nicht-Verlängerungen in der Corona-Zeit boten in der jüngsten Vergangenheit immer wieder Anlass zu interner wie öffentlicher Kritik am deutschen Theaterbetrieb. Dabei mangelt es keineswegs an Veränderungsvorschlägen und Initiativen.

In der Kulturstadt Berlin besteht durch die große Zahl sehr unterschiedlich organisierter Bühnen ein hohes Erfahrungswissen zu Organisationsformen und Arbeitsmodellen. Zahlreiche Künstler*innen und Backstage-Arbeiter*innen interessieren sich für strukturelle Fragen und engagieren sich für Veränderung. Darüber hinaus leisten die kulturpolitischen Verbände und Zusammenschlüsse bereits bemerkenswerte Arbeit, was die Ausarbeitung von Strukturanalysen des Theater- betriebs wie auch Maßnahmen zu seiner Verbesserung betrifft. Somit liegt eine Bandbreite an diversen Positions- und Forderungspapieren sowie innerbetrieblichem Know-How für eine diskriminierungskritische Arbeitspraxis vor.

Zur Umsetzung dieser Vorschläge und Forderungen bedarf es nun der Adressierung konkreter Zuständigkeitsebenen sowie eines möglichst breiten Prozesses der Konsensfindung mit allen Beteiligten.

Das Berliner Modellprojekt FAIRSTAGE setzt hier an, um die bestehenden Überlegungen effektiv und nachhaltig aufzugreifen und eine Umsetzung in der spezifischen Berliner Situation zu ermöglichen. In der ersten Projektphase im Sommer 2021 arbeiteten erstmalig institutionell geförderte Bühnen, konzeptgeförderte Ankerinstitutionen der freien Szene sowie Vertreter*innen von Verbänden, Initiativen und zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen in einem Beteiligungsverfahren zusammen an der Erstellung eines Maßnahmenkatalogs, der Handlungsempfehlungen klar an die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche adressiert.

Die Ausarbeitung des Maßnahmenkatalogs basiert auf Publikationen und Positionspapieren aller beteiligten Strukturen sowie auf gezielten Expert*innen-Interviews. Welche Problemstellen wurden von den Akteur*innen bereits identifiziert und welche Lösungsvorschläge wurden dafür entwickelt? Gibt es Interessen, die sich überschneiden, und wo bestehen Widersprüche?

Um präzise wirken zu können, ist das Projekt zunächst ausschließlich auf institutionell geförderte Strukturen im Bereich Sprechtheater ausgerichtet. Erkenntnisse aus dem Prozess sollen jedoch so ausgewertet werden, dass sie zeitnah als Grundlage für Überlegungen in anderen Bereichen, Sparten und Förderformen genutzt werden können. Zum Abschluss der ersten Projektphase im September 2021 wird daher eine gemeinsame Fortsetzung des Projekts als erweiterte Beteiligungs- und Informationsplattform geprüft."

Quelle: https://fairstage.berlin/about